Varroabekämpfung durch vollständige Brutentnahme, 17. 03. 2017

Thema: Varroabekämpfung durch vollständige Brutentnahme

Referent Ingmar Kummrow

Anwesende: Mitglieder und andere Interessierte – siehe Anwesenheitsliste

Elisabeth Roth begrüßt den Referenten. Herr Kummrow stellt sich vor als Imkermeister, Fachagrarwirt, Bienensachverständiger und Fachwart für München und Ebersberg. Er hält derzeit 25 Völker. Sein imkerlicher Schwerpunkt ist Königinnenzucht auf Varroatoleranz.

Zu Beginn nennt er die Gliederung seines Vortrags:

  • Grundverständnis der Varroa – ihre Biologie

  • Schädigung der Bienen durch die Varroa

  • Ermittlung des Befallsgrades

  • Maßnahmen zur Eindämmung der Varroa

  • Methode der vollständigen Brutentnahme

Die erste Beschreibung der Varroa vor etwa 100 Jahren bezog sich auf Varroa jakobsoni, inzwischen ist der Erreger Varroa destructor. Sie überträgt über 20 virale und bakterielle Krankheitserreger

– vergleichbar mitder Zecke als Überträger schwerer Krankheiten. Der Referent zeigt Bilder der Varroa in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. IhreVermehrung erfolgt in der verdeckelten Brutzelle. Aus dem 1. gelegten Ei entwickelt sich ein Männchen, die weiteren gelegten Eier werden zu Weibchen. Sie überwintert auf den Bienen. Die Gefahr der Re-Invasion ist besonders bei Ablegern sehr groß. Eine Arbeiterinnenzelle wird 20 Stunden vor der Verdeckelung befallen, eine Drohnenzelle 50 Stunden vorher. Die Milbe versteckt sich unter der Larve. Sie befindet sich auf einer Ammenbiene und wandert von dieser, vermutlich durch Geruchsorientierung, in die Zelle. Sie muss sich „unter Zeitdruck“ vermehren, denn die Arbeiterinnenzelle ist ca. 12 Tage, die Drohnenzelle ca. 14 Tage ( abhängig von der Temperatur) vedeckelt. 70 Stunden nach dem Befall legt die Varroa das erste Ei, aus dem ein Männchen schlüpft, nach weiteren 30 Stunden legt sie das 2. bis 6. Ei, aus denen sich Weibchen entwickeln. Nach 36 Stunden schlüpft aus dem Ei eine Protonymphe. In dem Zusammenhang empfiehlt Herr Kummrow Bilder der LWG Veitshöchheim, die im Internet zu finden sind.

Zur Schädigung der Bienen:

Die gesamte Milbenfamilie saugt an der Puppe. Dies führt primär zu einer Fehlentwicklung. Sekundär wird das Immunsystem der Biene geschädigt. Als Symptome werden genannt:

  • geringeres Schlüpfgewicht

  • geringere Lebenserwartung

  • geschädigtes Sozialverhalten in allen Bereichen (Füttern, Wärmen, Hygiene, Sammeln, Verteidigung)

  • lückiges Brutnest

Die Folge ist, dass ein solches Volk leicht ausgeräubert wird.

Der Reproduktionserfolg für die Varroa ist in der Drohnenbrut 2,6 und in der Arbeiterinnenbrut 1,4. Daraus ergibt sich für die Entwicklung in der Drohnenbrut eine achtmal höhere Vermehrung während der Saison. Herr Kummrow zeigt Bilder der Varroaschäden: Schäden an Flügeln, Beinen,Behaarung, nicht oder kaum verdeckelte oder unvollständig Brut. Das Brutbild ist ähnlich dem der Faulbrut. Letztere lässt sich jedoch eindeutig durch die Streichholzprobe identifizieren. Herr Kummrow nennt die Varroamilbe eine Reproduktionsmaschine. 80% der Milben befinden sich in der verdeckelten Brut. Jede Milbe erzeugt 2mal bis 3mal Nachkommen. So ergeben sich aus einer Milbe 100 Nachkommen. Ohne Eingriff rechnet man mit einer Verdopplung der Milbenzahl pro Monat. Wenn also im Januar 4 Milben im Volk sind, dann sind es im September 1.000. Deshalb muss die Reproduktion unterbrochen werden. Dazu nennt er drei Säulen:

  1. Bekämpfung durch chemische Mittel (von Milchsäure bis Bayvarol)

  2. Züchtung von varroatoleranten Bienen (Selektion von Völkern, die befallene Zellen erkennen und die Maden entfernen – analog der Koexistenz der Milbe mit der Asiatischen Biene)

  3. Eindämmung durch die imkerliche Betriebsweise (Drohnenbrutschneiden, Brutentnahme, Kunstschwarmbildung). Das Einhängen eines Baurahmens für die Drohnenbrut bringt zudem den Vorteil, dass dadurch dem Schwärmen vorgebeugt wird und sauberes Wachs produziert wird. Dazu reicht ein leerer Rahmen ohne Wachsstreifen. Es wurde nachgewiesen, dass Drohnenbrutschneiden zu einem höheren Honigertrag und zu gesünderen Ammenbienen für die Überwinterung führt. In dem Zusammenhang erwähnt Herr Kummrow auch die Ursachen, die zum Schwärmen führen: Enge im Stock, zu viel Pollen, viele Jungbienen, die ihren Futtersaft loswerden wollen. Beachtlich ist im Stadtgebiet aufgrund der hohen Völkerdichte das Re-Invasionsrisiko. Man kann den Verflug der Bienen leicht selbst feststellen, indem man Mehl oder Puderzucker auf die Bienen am Flugloch streut: Bald sieht man weiße Bienen an Fluglöchern von Nachbarvölkern.

Zur Ermittlung des Befallsgrades:

Man sollte von Juli bis Mitte Oktober mit Hilfe der Einlage wöchentlich den Milbenfall überprüfen und dabei die Einlage für 3 Tage im Volk belassen. Im Frühjahr soll die Einlage für 3mal 7 Tage (mindestens 3 und höchstens 10 Tage) im Volk belassen werden.

Falls im Juli ein starker Milbenbefall festgestellt wird, soll man den Honigraum mitsamt den Bienen auf ein anderes Volk stellen und den Brutraum mit Ameisensäure behandeln. Der Wirkungsgrad in die verdeckelte Brut ist bei der Ameisensäure 20% bis 80%, abhängig von den äußeren Bedingungen. Sie schädigt die Brut: Bei wirksamer Behandlung finden sich tote Larven auf dem Boden.

Zur Eindämmung der Varroa:

Zunächst hinterfragt der Referent die Methoden der „modernen“ Bienenhaltung:

  • Planmäßige Jungvolkbildung mit Brutwaben (anstelle unkontrollierten Schwärmens); nach 30 Tagen ist eine neue Königin legefähig.

  • Dabei behält das neue Volk alle Krankheitskeime. Eine Brutpause entfällt beim Zusetzen einer Königin; die Varroa brütet weiter. Beim Nachziehen einer Königin hat man eine ca.

    4wöchige Brutpause.

  • Zwischen den Völkern werden ständig kranke Bienen ausgetauscht.

  • Oft werden kranke / schwache Völker vereinigt.

  • Bienen von unangepasster Herkunft werden eingeführt und verbreitet. An unser Klima angepasst bedeutet: ein starkes Volk wird eingewintert, die Bienenmenge wird im Winter reduziert, im Frühjahr ab Kirschblüte (ca. 10. April) wächst das Volk schnell.

Herr Kummrow plädiert dafür, vom Schwärmen der Bienen zu lernen:

  • Zurückgelassen werden beim Schwärmen Brut, Wabenbau und Futter. Brut und flugfähige Bienen werden getrennt.

  • Brutpause bedeutet Milbenpause.

  • Es wird ein neues, hygienisch unbelastetes Brutnest aufgebaut.

  • Der Ansteckungskreislauf ist gestoppt sowohl im Schwarm wie auch im Restvolk.

Durch die Methode der Vollständigen Brutentnahme werden die Vorteile des Schwärmens für das Bienenvolk nachgeahmt:

  • Bester Zeitpunkt: 2 Wochen vor der letzten Honigentnahme (grundsätzlich möglich ab natürlicher Schwarmzeit). Dabei werden alle Brutwaben entfernt bis auf eine sog. Bannwabe. Die Brutwaben werden in einem sog. Brutsammler am besten auf einem anderen Standplatz vereinigt. Die zurückgelassene Bannwabe enthält nur offene Brut oder Eier. Sie lockt die auf den Bienen aufsitzenden Varroamilben an. Sobald sieverdeckelt ist, muss sie unbedingt entfernt und vernichtet werden. Denn sie enthält 80% der Milben des Restvolkes.

  • Innerhalb von 8 Wochen ist der Brutverlust ausgeglichen.

  • KeinUnterschied zu Völkern ohne Brutentnahme bezüglich Einwinterung und Auswinterung.

  • Nosemabefall ist halb so hoch.

  • Niedriger Befall mit Bienenparalyse-Virus.

Die Auswirkungen im Volk sind:

  • Sinkender Eigenbedarf des Volkes (auf diesen Punkt wurde nicht weiter eingegangen).

  • Die Sammelleistung bleibt zunächst vollständig erhalten.

  • Pflegebienen entwickeln sich vorzeitig zu Sammelbienen.

Man sollte nach der Honigentnahme gegebenenfalls erweitern und füttern. Wichtig ist, den Varroa-Restbefall zu kontrollieren und auf Re-Invasion zu achten (Befallsschwelle im August/ September:

5 Milben pro 10 Gramm Bienen).

Die Brutsammler müssen nach dem Schlüpfen der Brut gegen Varroa behandelt werden. Sie können als Ableger verwendet werden (am besten eine Königin zusetzen) oder dem Volk zurückgeführt werden. In diesem Zusammenhang weist der Referent auf den Zeller Rotationsbetrieb hin, ohne näher darauf einzugehen. Er apelliert noch einmal an die anwesenden Imker, sich in der imkerlichen Praxis an der Natur zu orientieren. Als weitere Tipps nennt er:

  • im Verein zusammenzuarbeiten

  • sich fortzubilden und Fachliteratur zu lesen

  • die Effizienz der imkerlichen Eingriffe zu kontrollieren

  • die Völker regelmäßig zu beobachten und

  • 1mal pro Woche den Milbenfall zu zählen.

Als Informationsquellen empfiehlt er:

  • Literatur von Dr. Ralph Büchler aus Kirchhain

  • Die Promotionsarbeit von Jens Radtke (im Internet zu finden)

  • Informationen der LWG Veitshöchheim

Im Anschluss an den Vortrag haben die Anwesenden noch Gelegenheit, Fragen zu stellen. Elisabeth Roth bedankt sich bei Herrn Kummrow für den klaren Vortrag und sein Eingehen auf die vielen Zwischenfragen.