Behandlungsfreie Bienenhaltung, 19.10.2018

Thema: Behandlungsfreie Bienenhaltung

Referent: Jörg Hinnerks

Zu Beginn zeigt Herr Hinnerks seinen Hintergrund auf: Er betreibt „Basiszucht“, das heißt, er setzt auf Selektion unter fortgesetzter Standbegattung. Der Standort seiner Völker ist in der Eifel in 500m Höhe, in einer landwirtschaftlich geprägten Gegend mit 60% Grünlandwirtschaft. Er imkert seit 2006/2007 ohne eine Varroa-Bekämpfung. Im Jahr 2009/2010 hatte er 90% Völkerverlust. Im Jahr 2018 hat er 55 Völker eingewintert und (bisher) 3 davon verloren. Ab Ende November hat er grundsätzlich keine Verluste durch Varroabefall zu beklagen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Herr Hinnerks seine Völker nach dem Vorbild der Selektion in der Natur züchtet und hält. Dies zeigt sich in den folgenden Prinzipien:

  • Varroaresistenz bzw. -toleranz entwickelt sich in den Bienenvölkern nur, wenn sie sich mit der Varroamilbe auseinandersetzen. Eine örtlich vollständige Beseitigung der Varroamilbe wäre dem entgegengesetzt.Er sieht die Varroamilbe als Mitarbeiterin bei der Selektion.

  • Starke Völker sollen möglichst viele Drohnen erstellen, um die wünschenswerten Gene an möglichst viele Königinnen weiterzugeben.

  • Völker, die schwach aus dem Winter kommen, sollen möglichst bald umgeweiselt werden, noch bevor sie Drohnenzellen anlegen.

  • Durch Standbegattung werden die Eigenschaften der selektierten Völkermit großer Wahrscheinlichkeit an die neuen Königinnen weitergegeben.

  • Der Imker muss Völkerverluste zulassen können. Diese betreffen Völker mit ungünstigen genetischen Eigenschaften.

  • Der Imker muss MIT den Völkern im Bewusstsein des Verhaltens von wilden Bienenvölkern arbeiten. An Stelle des natürlichen Teilens von Völkern durch das Schwärmen veranlasst Hinnerks die Brutentnahme zur Zeit des Schwarmtriebs oder bei fehlendem Schwarmtrieb

    2 bis 3 Wochen vor dem Abschleudern. Dies stoppt die Milbenvermehrung im Muttervolk durch die fehlende Brut und im Brutling durch das vorübergehendeFehlen einer Königin und somit weiterer Brut.

Herr Hinnerks belegt seine Haltung durch Versuche mit 150 Bienenvölkern auf der ursprünglich bienenleeren Insel Gotland, die über Jahre ohne Behandlung gegen Varroa gehalten wurden. Nach sehr hohen Verlusten konnten dort einige Völker über Jahre ohne Behandlung überleben. Ebenso verweist er auf die in der Natur erfolgte Varroaresistenz der „Primorski-Biene“ in Sibirien, die sich über Jahrzehnte entwickelt hat.

Im Anschluss erläuterte Herr Hinnerks seine Betriebsweise:

Er imkert mit Dadantbeuten und Styrodur-Schieden, mit denen er den Brutraum jeweils an die Bedürfnisse anpasst.

Er achtet auf stressfreie Völkerführung, geht Ende Februar zum 1. Mal an die Völker, kontrolliert sie dann alle 14 Tage, gibt Anfang März 1 Leerwabe zur Brut und setzt Mitte April einen Honigraum auf. Überschüssige Pollenwaben nimmt er aus dem Volk, er schröpft die Völker nicht.

Nach seiner Meinung kommt der Schwarmtrieb, wenn die Königin die Waben 2mal bestiftet hat. Dann erfolgt die Brutentnahme. Diese reduziert den Varroabefall in Verbindung mit der Eistreifenmethode um 80% bis 90%.

Bei der Brutentnahme wird die Königin vorübergehend gekäfigt. Die Brut wird in die neueZarge gestoßen (dabei 1 Handteller Bienen auf den Waben belassen!), eine Wabe mit sehr viel offener Brut wird der Königin belassen. Die abgestoßenen Brutwaben kommen mit den Drohnenwaben, Pollenwaben und Drohnen in eine neue Zarge (= „Brutling“) am gleichen oder einem neuen Standort. Das Muttervolk („Flugling“) wird mit Leerwaben und / oder Mittelwänden aufgefüllt und mit Absperrgitter und Honigraum versehen.

Zum Brutling: Er erhält über einen „Eistreifen“, das ist ein Streifen mit bestifteten Zellen aus einem Zuchtvolk, der mit einem scharfen Messer an der Oberfläche um 1/3 eingekürzt ist und in eine Wabe eingesetzt wird, die Möglichkeit, sich eine neue, gute Königin zu ziehen. Beim Einsetzen in die Wabe achtet man darauf, dass Freiraum für die Größe einer Weiselzelle bleibt. Nach 4 Tagen nachschauen: Eine jetzt schon verdeckelte Weiselzelle wäre aus einer zu alten Made gezogen. Weitere Erfolgskontrolle erst nach knapp 4 Wochen. Honigraum drauf setzen.

HerrHinnerks weist darauf hin, dass die Varroa-Weibchen darauf angewiesen sind, im Sommer Eier zu legen. Ansonsten werden sie unfruchtbar.

Zum Ende weist Herr Hinnerks darauf hin, dass bei richtiger Bewirtschaftung sterbende Völker ein Gewinn für die selektive Züchtung sind. Er rät dazu, sich evtl. einen einsamen Standplatz zu suchen und Züchtergemeinschaften zu bilden. Auch könnte man seine Völker in Ertragsvölker und Projektvölker aufteilen.

In der anschließenden Diskussion schlägt der Referent vor, Altwaben von abgestorbenen Völkern einzuschmelzen. Drohnenschneiden nennt er kontraproduktiv, da Drohnen einem Organ des Organismus Bien entsprechen. Er lehnt eine Nutzung von Belegstellen zur Selektion ab, Standbegattung sei zielführender.

Für Rückfragen gibt er seine Emailadresse bekannt: joerg.hinnerks @ basiszuechter.de

Elisabeth Roth